I./ Ein erstes Jahrtausend voller Gegensätze: Einheit durch Römer und Christentum, Vielfalt durch Eroberer
In den ersten fünf Jahrhunderten setzte sich in Großbritannien, wie wir gesehen haben, unter dem Einfluss der Romanisierung und Christianisierung eine auf Einheit gerichtete Perspektive durch.
Im 5. Jahrhundert aber kam es durch die Invasionen erst der Jüten, dann der Sachsen und schließlich der Angeln zu einer tiefgreifenden Umwälzung. Die Britannier leisteten erbitterten Widerstand (Artus-Legende), wurden jedoch nach Wales und Cornwall zurückgedrängt. Damit blieb eine wichtige Quelle der Diversifizienmg erhalten. Andere Britannier emigrieren nach Annorikanien und begründen dort die Bretagne. Diese britannische Emigration dauert bis 560, also fast ein Jahrhundert (6. Jahrhundert). Seit diesem Jahrhundert sind somit die Britannier auch auf dem Kontinent präsent.
Die Kriege verwüsten die Insel und führen schließlich zum Untergang der römischen und katholischen Kultur. Emeut entstehen Kulturen von Gesellschaften mit Gemeinschafscharakter. Zu deren charakteristischen Merkmalen gehören nach außen derWunsch nach Unabhängigkeit und nach innen die Wertschätzung der individuellen Freiheit. Dies führt zur Praxis des auf das gemeinschaftliche Handeln (die gemeinsame Bewirtschaftung des Bodens zum Beispiel) gerichteten lokalen Konsensus und zur Praxis der Bestimmung der Oberhäupter durch Wahl, Konstellationen, die als die ersten Ursprünge der intensiven britischen Freiheitskultur anzusehen sind. Wir werden noch sehen, dass im Laufe der Jahrhunderte weitere hinzukommen. Schon damals also muss England die Verbindung zwischen den auf Einheit und den auf Vielfalt gerichteten Strömungen bewerkstelligen, die dann allmählich zu einer spezifischen und völlig neuartigen Konstruktion zusammenwachsen.
So entsteht ein Mittelding zwischen einer großen Gesellschaft mitGemeinschaftscharakter und einem Königreich, nämlich eine Heptarchie aus sieben kleinen, nebeninander bestehenden Königreichen auf einem seiner Größe wie seiner Bevölkerung mch begrenztem Territorium. Wie sehr diese Königreiche in den alten Stammesgemeinschaften wurzeln, ist bis in ihre Namen hinein zu erkennen: Die Sachsen im wesentlichen in Essex, Sussex, Wessex, die Angeln in Northumbria, Eastanglia, Mercia und die Jüten in Kent.
Da das 6. Jahrhundert friedlich endete, beschloss Papst Gregor der Große die emeute Entsendung einer Evangelisierungmission (596). Sie erreichte die Bekehrung des Königs von Kent (Pfingsten 597) und wurde das ganze 7. Jahrhundert hindurch erfolgreich fortgesetzt. Im 8. Jahrhundert wird dann die großbritannische Christenheit ihrerseits missionarisch tätig, erst in Friesland, dann in Germanien. Aber erst rund zweihundert Jahre später kommt es zu einem ersten Einigungsversuch im Sinne eines Königreichs, und zwar durch König Egbert von Wessex, der Anfang des 9. Jahrhunderts (825) aufgrund der Bedrohung von außen alle Königreiche für einen gewissen Zeitraum unter seiner Führung zusammenbringt. Im 9. und 10. Jahrhundert wird England von den Dänen erobert, Mitte des 11. Jahrhunderts dann von den Nonnannen. Mit ihnen macht England zum ersten Mal die Erfahrung einer klar strukturierten Monarchie.