Word World (par Jacques Demorgon)

Sources : Kapitel II. Die Mediation im Interkulturellen und die Funktion der Metaebene.  In Jacques Demorgon :  Interkulturelle Geschichte der Gesellschaften –

Auf Deutsch – Traduction inédite (OFAJ-DFJW : Hella BEISTER ) de L’HISTOIRE INTERCULTURELLE DES SOCIÉTÉS Une information monde. 2e édition revue et augmentée Paris : Economica. Chapitre II. La médiation interculturelle et la fonction « méta », p. 11-28.

Die Mediation im Interkulturellen und die Funktion der Metaebene.

I./ Annäherung an kulturelle Phänomene : Metakognition als notwendige Voraussetzung

Kulturelle Phänomene müssen wie andere Phänomene auch zumindest unter den beiden Aspekten betrachtet werden, die Piaget bei seiner Analyse des menschlichen Verhaltens fand: dem energetischen oder emotionalen Aspekt und dem strukturellen oder kognitiven Aspekt. Aber wenn auch dieser kognitive Aspekt eine Entwicklung voraussetzt, so wird diese doch durch Erziehung vermittelt und steht in direktem Zusammenhang mit den Notwendigkeiten des Handelns. Er ist gänzlich kognitiv, nicht metakognitiv.

Kulturelles Verhalten ist geordnet und stukturiert und im übrigen abhängig von der Energie, die aus der Ökonomie unserer Bedürfnisse und Projekte entspringt. Dies gilt auch dann noch, wenn man von der primären Ebene des Handelns, Fühlens und Seins auf die sekundäre Ebene des Erkennenwollens übergeht. Dieser auf die kulturellen Phänomene gerichtete Erkenntniswille aber ist selber an unsere zugleich strukturelle und emotionale kulturelle Organisation gebunden.

Er ist kognitiv und nicht metakognitiv. Die Frage: « Wie kommt es, dass ich kulturelle Phänomene verstehe? », ist also eine primäre Frage. Stelle ich sie mir nicht, bleibe ich mit meiner Erkenntnis in den Vorannahmen meiner eigenen Kultur befangen: Sie ist dann eher Projektion als Erkenntnis.

Untersuchungen zur Metakognition sind relativ neu. Die ersten liegen rund zwanzig Jahre zurück. Damals interessierte man sich in erster Linie fir das Metagedächtnis. Seit 1980 jedoch ist man sich über gewisse grundlegende Definitionen einig, die nun fir die weitere Entwicklung maßgeblich sind. 

Man unterscheidet (jedenfalls in der Theorie) zwischen kognitiven Operationen, die sich auf die Repräsentation von Objekten der äußeren und inneren Welt beziehen, und metakognitiven Operationen, bei denen es um die Repräsentation der kognitiven Operationen geht

E. Tulving (1972), « Episodic and semantic memory », in E. Tulving und W. Donaldson (Hrsg.), Organization ofmemopy, New York, N. Y. Academic Press

In unserem Zusammenhang ist wichtig, dass bei der – inzwischen häufiger gewordenen Beschäftigung mit kulturellen Phänomenen, und selbst bei den Explorations- und Experimentalbegegnungen, die schon ihrem Namen nach eigentlich auch der Forschung dienen sollten, von einem metakognitiven Interesse leider nur allzu oft nichts zu spüren ist. Die kognitiven Operationen erfolgen spontan und unreflektiert. Die Folge sind anhaltende und sich ständig wiederholende Polemiken. Diese Polemiken binden die Energien der Teilnehmer und hindern sie daran, die ihnen zur Verfügung stehenden institutionellen Möglichkeiten voll zu nutzen. Wie bedenklich dieser Sachverhalt ist, wird ganz deutlich, wenn man sich vor Augen hält, wie dringend die kulturellen Probleme jetzt schon sind und wie viel dringender sie in den nächsten Jahrzehnten noch werden dürften, zum Beispiel aufgrund der Ost-West- und Süd-Nord-Migrationen, die das kommende Jahrhundert noch viel stärker als das jetzige prägen werden.

Schon F. Gendreau und P. Cantrelle schrieben: 

« Diese Wanderungsbewegungen sind schwer vorherzusehen, aber es wagt auch niemand, laut über sie nachdenken, ehe sie da sind. Insbesondere die Verwaltung der Vereinten Nationen kann es sich nicht erlauben, Prognosen zu veröffentlichen, die umfangreiche Wanderungsbewegungen einschließen. »

P. Cantrelle, Gendreau, Futuribles

 Die Autoren selber rechnen demgegenüber fir das nächste Jahrhundert mit einem Zustrom von rund finfundvierzig Millionen Migranten allein fir Europa. Im Bildungs- und Ausbildungsbereich jedoch wird so gut wie nichts getan, um uns auf diese Phänomene vorzubereiten. Und die Intellektuellen, die an entsprechenden Projekten arbeiten, kommen viel zu langsam voran, weil sie sich immer wieder auf die immer gleichen Polemiken einlassen. Schon deswegen muss unbedingt an der Weiterentwicklung des metakognitiven Ansatzes gearbeitet werden.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen semantischem Gedächtnis und episodischem Gedächtnis (nach Tulving, 1983 : E. Tulving, a.a.O., in Fraisse und Piaget, Traité de psychologie expérimentale, PUF, 1991 [1983].

Nun kommt es bei Seminaren im Rahmen der interkulturellen Begegnung und Forschung extrem häufig vor, dass die Teilnehmer beschließen, nur mit Berichten über ihre eigenen Erfahrungen zu arbeiten. In diesem Falle steht das Bedürfnis, sich selbst einzubringen, so sehr im Vordergrund, dass es nicht mehr möglich ist, von ihm abzusehen und darauf zu bestehen, das auf diese Weise eingebrachte und ganz unterschiedliche Material nun auch kollektiv aufzuarbeiten. Dies ist selbst bei Gruppen der Fall, die sich aus freien Stücken um eben dieser gemeinsamen Forschung und Aufarbeitung willen zusammengefunden haben.

Bei dieser Arbeit müssen wir, wie Tulving ganz zu Recht betont, zwischen dem « episodischen » und dem « semantischen » Gedächtnis unterscheiden. Das erste wird bei den Erfahrungsberichten aktiviert. Das zweite kommt unweigerlich bei der kollektiven Aufarbeitung des unterschiedlichen Materials ins Spiel. Diese Unterscheidung muss man sich bis ins Detail bewusst machen, um zuverlässig bestimmen zu können, mit welcher Form des Gedächtnisses man gerade arbeitet und vor allem, ob man den Übergang von der ersten zur zweiten Form wirklich schafft oder im System der ersten befangen bleiben.

Die Frage allerdings, warum es oft so schwierig ist, auf der Grundlage dieser beiden Gedächmisfonnen zusammenzuarbeiten, ist damit nicht beantwortet. Hier bewegen wir uns im Kreis. Wir können nicht gut metakommunizieren, wenn wir nicht über Konzepte verfiigen, die entwickelt genug sind, um die Komplexität des Realen zu erklären. Solche metakognitiven Konzepte aber können wir nur aus der Weiterentwicklung unserer Metakommunikationen über unsere Konflikte gewinnen. Der einzige Ausweg ist ganz offenkundig eine Verbindung des metakognitivem mit dem metakommunikative Ansatz.

II. Die Metakommunikation: Biopsychologische Wurzeln und Definition

Der Umgangston bei den Begegnungen ist meist höflich und freundschaftlich. Man ist bemüht, möglichst nichts auftommen zu lassen, was « zum Problem werden » könnte. Unter solchen Bedingungen kommt die gemeinsame Erforschung von Missverständnissen, Vorurteilen, Identitäten, Interessen natürlich zu kurz. Will man sie dennoch, muss jeder erst einmal lernen, die eigenen Verhaltensautomatismen, die ja immer auch mit einer persönlichen, sozialen, regionalen, nationalen usw. Identität zu tun haben, aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Auf ihrer höchsten Stufe wird aus dieser Distanz das, was man die « Metaebene » nennen könnte. Das Wörtchen « meta » bedeutet « nach », « jenseits », « über” man findet es in Wörtern wie « Metaphysik », « Metamorphose », « Metapher’, « Metastase« .

Es bedeutet, dass man einen Tatbestand, ein Ereignis, eine Äußerung zeitlich wie räumlich aus einem gewissen Abstand befrachtet. Es verbindet sich außerdem mit der Vorstellung, dass man dank dieser neuen Position die Realitäten durch Vergleiche auf neue Art erfassen und in übergreifende Zusammenhänge einordnen kann, in denen erst ihre eigentliche Bedeutung sichtbar wird.

Distanz ist ein Phänomen, das bereits beim Einzeller auftritt, der auf einen Reiz reagiert. Später werden die Botschaften aus der Umwelt über die Sinnesorgane verarbeitet. Bei den Menschen sind Geruch, Gefihl und Geschmack im Großen und Ganzen Sinne fiir den Nahbereich, Gehör und Sehvermögen Rezeptoren fir Botschaften aus größerer Entfernung.

Unser Gehirn analysiert die Sinnesinformationen und lenkt unser Verhalten in eine bestimmte Richtung. Die Kybernetiker sprechen von « positivem Feedback », wenn das Verhalten in gleicher Richtung beibehalten und fortgesetzt wird, und von « negativem Feedback », wenn es abgebrochen oder verändert wird.

Auf diese Weise kann das Gehirn aufgrund der durch bestimmte Sinne gewährleisteten physischen Distanz jene zusätzliche Distanz schaffen, in der diese Botschaften analysiert und verarbeitet werden. Aus alledem entstehen unsere Repräsentationen, und die Metaebene bestimmt sich über diese Repräsentationen sowie über den Austausch, in den wir über sie mit uns und mit den anderen eintreten. Sie ist die Distanz, die wir zu den Repräsentationen einschließlich unserer eigenen halten.

Dies heißt jedoch nicht, dass die Ergebnisse dieser Distanzierung bereits eine endgültige Bewertung darstellen. Sie können ihrerseits der Metakommunikation unterzogen werden. Das Einnehmen der Metaebene ist ein reproduzierbarer Prozess, der nicht von den Ergebnissen abhängig ist, die zu einem bestimmten Augenblick auf dieser Ebene erzielt wurden. Auf der Metaebene entscheidet man selber, ob man seine Distanzierung unterbricht oder fortsetzt. Im ersten Fall lässt man den unmittelbaren Zwängen des Milieus und den mehr oder weniger gewohnheitsmäßigen Reaktionen der Akteure freien Lauf. Im zweiten Fall besteht die Gefahr, dass die Metakommunikation zu einem hyperlaitischen Verhalten gegenüber den Repräsentationen fiihrt und sich damit erheblich von der Realität entfemt. Im Grunde hat die Metakommunikation ihre Funktion und ihren Ort zwischen diesen beiden Externen: dem einen Extrem, bei dem sie sich vor lauter Unterbrechen schließlich selbst aufhebt; und dem anderen, bei dem sie sich vor lauter Nichtunterbrechen am Ende völlig verselbständigt.

Bei internationalen Begegnungen, deren Austausch nicht allzu sehr an der Oberfläche bleibt, kann die Metakommunikation eine zusätzliche Distanzierung darstellen, die nicht nur zur Korrektur, sondern auch zum besseren Verständnis des interkulturellen Austauschs beiträgt. Sie kann den Teilnehmern helfen, bei voreiligen Behauptungen erst einmal inne zu halten, genauso aber auch, über ihre ideologischen, sprachlichen, beruflichen, sexuellen usw.Unterschiede nachzudenken. Oft kommt es einfach deswegen spontan zur Metakommunikation, weil man sich besser verstehen will.

Auf diese Weise können Forscher und Teilnehmer gemeinsam entscheiden, ob sie bei der Metakommunikation bleiben wollen oder nicht. Dies ist eine zugleich relativ alltägliche und relativ seltene Situation. Alltäglich, weil bei jeder einigermaßen ernsthaften internationalen Begegnung oft genug auf metakommunikative Verfahren zurückgegriffen wird. Selten, weil man bei diesem Verfahren nicht einfach bleiben kann, ohne bestimmte, mit unserer immer zugleich persönlichen, sozialen, regionalen, nationalen usw. Identität zusammenhängende Orientierungen in Frage zu stellen.

III./ Die Metaebene als allgemeines Phänomen Das Beispiel des Metathemas

Die Metaebene ist bei jedem von uns und in allen Gruppen präsent. Sie macht mitunter Angst, weil der Eindruck entstehen kann, ihre Distanzierungen und Infragestellungen wirkten lähmend auf die Spontaneität der Aktivitäten, Diskussionen, Gespräche. Dazu aber kommt es nur, wenn man versäumt hat, sie selber in die von ihr bewirkte Relativierung einzubeziehen. Ihre durch missbräuchliche Anwendung (vgl. Ebene 6) herbeigeführte, rauschhaft pervertierte Form ist oft nur das Gegenstück zu der auf übertriebener Angst beruhenden Weigerung, sie ganz normal anzuwenden.

Die Kommunikation beruht, wie wir gesehen haben, auf Situationen, die als mehr oder weniger gemeinsame und mehr oder weniger konfliktgeladene oder konfliktfreie erlebt werden und in denen mehr oder weniger unterschiedliche Codes benutzt werden. Bei diesen Situationen und diesen Codes nun setzt die Metakommunikation an, um dieKommunikationsprobleme, zu denen es unter bestimmten Bedingungen und in bestimmten Kontexten kommt, besser zu verstehen.

Intemationale Begegnungen stehen in der Regel unter einem bestimmten, alle Teilnehmer interessierenden Motto oder Thema. Darüber wird leicht vergessen, dass es sich immer auch um eine über unterschiedliche nationale und kulturelle Realitäten vermittelte und in diesen Realitäten stattfindende Begegnung zwischen lebendigen Menschen und nicht zwischen bloßen « Vertretern » des Themas handelt. Wäre dies der Fall, würde das Thema nur dazu dienen, eine wirkliche Begegmng zu vermeiden.

Um dies zu verhindern, produziert die Metaebene das Metathema. Das Metathema ist also nicht etwa ein weiteres, das erste verdrängende oder fir fiktiv erklärende Thema. Es bietet im Gegenteil die Gewähr dafür, dass das angegebene Thema als zentrierte und begrenzte Realität wahrgenommen und dennoch an der realen Breite und Komplexität der konkreten Situationen des internationalen und interkulturellen Austauschs gemessen wird.

Die vielen grundsätzlichen Kommunikationsprobleme bei intemationalen und interkulturellen Begegnungen machen den Rückgriff auf die Metakommunikation im Grunde unvermeidlich, zumindest bei Begegnungen, die der vertiefenden Exploration dienen, sowie bei Forschungs- und Ausbildungszyklen. Die Metakommunikation setzt bei bestimmten Grundsituationen an, die wir in sechs Ebenen unterteilen wollen:

Erste Ebene der Metakommunikation: allgemeine Kritik an den Situationen und den Mitteln der Kommunikation. Defizite bei der Anwendung des gesamten Spekfrums der Kommunikationsweisen. Rehabilitation des Nichtverbalen. Die Metakommunikation wird vor allem eingesetzt, um die Kommunikationsmittel besser handhaben zu können. Man kommuniziert verbal oder nonverbal. Man kommuniziert über Themen oder Aktivitäten. Sehr häufig überwiegt eine dieser Dimensionen der Kommunikation über alle anderen, es kommt zum blinden Aktivismus oder zum Rederausch, Abläufe können zu stark zentral gesteuert sein oder sich durch allzu weitgehende Aufteilung der Teilnehmer auf Kleinstgruppen zu sehr verzetteln: Zwischen den Mitteln, Inhalten und Zielen der Kommunikation herrscht ständige Rivalität. Will man ohne Zuhilfenahme der Metakommunikation zu Lösungen kommen, sind Kurzschlüsse unvermeidlich, mit denen Ordnung oder Unordnung geschaffen wird, eine so starr wie die andere.

Zur Metakommunikation kommt es, wie schon in L’exploration interculturelle betont,  “oft dann, wenn es notwendig wird, die verbale Kommunikation auf den Platz zu verweisen, der ihr zukommt, so dass dann wieder das ganze Spektrum der Kommunikationsweisen genutzt werden kann. Die verbale Kommunikation kann nämlich unter bestimmtenUmständen, und durchaus zu ihrem Vorteil, ersetzt werden durch: 

  • Aufschreiben von Schlüsselwörtern, Daten, Eigennamen;
  • Zeichnungen, Bilder, Schemata, Photogaphien usw.
  • Körperhaltungen, Mimik, Bewegung im Raum, Gestik;
  • ja sogar Beobachtung und selbst Schweigen.” L’exploration interculturelle, S.145.

In einem Kapitel von L’exploration interculturelle, das sich mit « pädagogischen Inhalten, Methoden und Zielsetzungen » befasst, haben wir Beispiele fir die Arbeit mit nonverbalen Mitteln wie Fotografien und symbolischen Platzzuweisungen oder Inszenierungen (Demorgon l’exploration…, S. 169-172.) gegeben, die eine Erweiterung der Gestaltarbeit der systemischen Therapien ist.

Die Metakommunikation muss außerdem berücksichtigen, dass unsereKommunikationsmittel nicht nur aus den Inhalten bestehen, die wir bewusst übermitteln wollen. Auch die Art und Weise, wie wir sie übermitteln, unsere Redeweise, unser ganzes Verhalten, all dies sind Kommunikationsmittel, wenn auch nicht unbedingt bewusste. Immer hat unsere Kommunikation auch diese relationale Form, die, selbst wenn sie nur indirekt wirkt, nicht weniger wichtig und manchmal sogar das eigentlich Wichtige ist. Je intensiver unsere Interaktion mit dem personalen Umfeld ist, desto wichtiger ist auch dieser Aspekt der relationalen Formen, in denen sie stattfindet. So kann bei diesen Begegnungen in bestimmten, gefühlsbetonten Augenblicken auf einmal ein regelrechtes, von der entsprechenden Gestik und Mimik begleitetes Verführungs- oder Aggressionsverhalten entstehen und unter Umständen ein Gewicht bekommen, das in keinem Verhältnis zu den eigentlich diskutierten Fragen und anstehenden Problemen steht oder sie sogar ganz übertönt. 

Zweite Ebene: Berücksichtigung sprachbedingter Probleme

Bei intemationalen Begegnungen wird es immer dann besonders interessant, wenn auf einmal Kommunikationsprobleme nicht mehr zwischen den nationalen Gruppen, sondern innerhalb einer nationalen Gruppe auftreten, die dann plötzlich über die Bedeutung bestimmter Wörter und ihre Übersetzung diskutiert. „Wenn sich Franzosen über die Bedeutung des Wortes ‘citoyen’ oder Deutsche über die Bedeutung des Wortes ‘Heimat’ einigen sollen, ist das alles andere als trivial. Hier findet Metakommunikation statt, um die Wechselwirkungen und Entwicklungen der Signifikate unter die Lupe zu nehmen, die in einem einzigen, bedauernswerten und gänzlich unschuldigen Signifikanten stecken: einem einzelnen Wort. » Um einander also auch nur verstehen zu können, müssen Kodierungsprobleme – semantische ProblemeDefinitionsprobleme – immer wieder neu gelöst werden. « Die Karte ist nicht das Territorium« , wie Korzybski einmal schrieb, der Begründer der allgemeinen Semantik. Ebenso wenig sind die Wörter die Dinge; oder die Sprache der hinter dem Wort stehende Gedanke! Was kann, muss oder will man unter dem Wort « Heimat » oder « consensus » verstehen? (Demorgon, a.a.O., S. 146.)

Kommt es zu einem wirklichen Verständnis dieser Situation der Sprachen, werden die Teilnehmer der Begegnungen, was die Möglichkeiten von Übersetzungen betrifft, bescheidener. Doch bis zu dieser Weisheit ist es ein langer Weg. 

“Anfänglich, geht man immer wieder von der Vorstellung aus, man könne, wenn man die Sprache des Partners nicht versteht, mit ihm weder elaboriert kommunizieren, noch ihn verstehen, noch gar mit ihm zusammenarbeiten. Daher wird soviel Wert darauf gelegt, dass Animateure anwesend sind, die zugleich dolmetschen können, und Personen, die die andere Sprache lemen. Damit wird die verbale Kommunikation von Vorkehrungen abhängig gemacht, die für eine Konsekutivübersetzung sorgen sollen und angeblich überhaupt erst die Möglichkeit schaffen, Diskurse der einen Sprachpartei an die andere Sprachpartei zu übermitteln, und zwar unter geringstmöglicher persönlicher Einlassung der dolmetschenden Person. Diese nimmt an der Interaktion nicht teil. In letzter Konsequenz wäre sie durch eine Übersetzungsmaschine zu ersetzen. Da dies niemals möglich ist, leugnet man entweder, dass die dolmetschende Person unweigerlich auch eine Art sprachlichen Filter darstellt, oder wirft ihr im Gegenteil vor, sie verfälsche den Diskurs, den sie übermitteln soll. Außerdem soll sie, damit sie nicht der einzige Kommunikationskanal in der Gruppe ist, die Gruppendynamik berücksichtigen und ihre Dolmetschinterventionen auf die Interaktionen abstimmen, die vor ihren Augen ablaufen. Dennoch ist sie zwischen einsprachigen Teilnehmern unterschiedlicher nationaler Herkunft oft die einzig anerkannte Verbindung. Diese verlassen sich nicht mehr auf ihre eigenen Möglichkeiten, Erfahrungen zu machen, Beobachtungen anzustellen und zu kommunizieren. Am Ende betrachten sie sich geradezu als « Behinderte », die in ihrem Erleben der internationalen Begegnung völlig von der zweisprachigen Person abhängig sind, was umso gravierender ist, als die Wörter jedes Diskurses, wie die als Dolmetscher fungierende Person sehr wohl weiß, implizite Bedeutungen, Konnotationen, Andeutungen, Anspielungen enthalten, die stets ganz eng an ein bestimmtes Milieu, eineRegion, einen Beruf usw. gebunden sind. Dies allerdings gilt fir die Sprache überhaupt, als ein kulturelles System, das seinerseits von der sozialen Praxis und den konfliktgeladenen und uneindeutigen historischen Entwicklungen abhängig ist.”(Demorgon, a.a.O., S. 133-134) Damit sind wir fast schon bei der dritten Ebene der Metakommunikation angelangt.

Dritte Ebene: Bewusstsein von den kulturellen, sprachlichen und sonstigen Formationen in ihrer Gesamtheit.

Ein « idealer » Dolmetscher ist im übrigen nach Meinung vieler Teilnehmer einer, der auch verborgene kulturelle Bedeutungen sichtbar machen kann und ihnen damit einen besseren Zugang zu den Gesprächen und Diskursen ermöglicht, in denen diese zum Ausdruck kommen.

Auf dieser dritten Ebene entstehen neue Kommunikationsprobleme, und zwar weniger wegen grundsätzlicher Fragen der Bedeutung, als vielmehr wegen der Art und Weise, wie der Diskurs grundsätzlich organisiert wird.

« Besonders auffällig und häufig sind drei Punkte:

  • die Aussagesequenzen haben jeweils andere Ausgangs- und Endpunkte;
  • die Bezugsrahmen der Informationen und Argumentationen sind nicht von vornherein vergleichbar; 
  • die Einstellungen zu diesen Bezugsrahmen sind selber unterschiedlich.

Für die drei Situationen, die damit definiert sind – und zwar insofern ganz allgemein, als sie auch in einer mononationalen Gruppe aufreten können, nur viel weniger komplex als in einer internationalen Gruppe -, kann man sagen, dass die Kommunikation weitgehend zum Scheitern verurteilt ist, da die Teilnehmer nicht wirklich über dasselbe sprechen. Nur durch Metakommunikation wären sie in der Lage, sich dies bewusst zu machen. Wir wollen den ersten Punkt an einem Beispiel erläutern.

In dem Fall, den wir betrachten wollen, werden die zu übermittelnden Fakten in den beiden nationalen Gruppen nicht in derselben zeitlichen Sequenz organisiert. Was fir die eine Gruppe die Ursache ist, ist fir die andere die Wirkung.

 So setzen manche französischen Teilnehmer, weil damit ihre eigene Identität eine Aufwertung erfährt, beim Thema deutsche Geschichte gern bei der Nazizeit an. Nur selten gehen sie weiter zurück, um diese Zeit vor dem Hintergund der vorangegangenen historischen Epochen besser zu verstehen. Auch die geopolitischen Vorstellungen, die sie von Deutschland haben und den anderen vennitteln, beziehen sich auf einen bestimmten historischen Zeitpunkt und tennen Deutschland von der Gesamtheit der europäischen und internationalen Geschichte ab.

 Dagegen organisieren manche Deutschen ihren Diskurs so, dass sie die Nazizeit in den europäischen und internationalen Gesamtkontext einbinden, falls sie sich nicht, wie meist der Fall, lieber gleich auf die Nach-Nazizeit beziehen, um nicht an die Wunden und Tabus ihres historischen Gedächtnisses rühren zu müssen. Man sieht: Die sequentielle Organisation der Fakten, über die man sich austauscht, ist zu Beginn durchaus nicht gleich. » (J. Demorgon, a.a.O., S.134)

Hier nun ist eine wichtige Feststellung zu treffen, die sich, wie Forschungen ergeben haben, auch verallgemeinern lässt. Wir setzen bei unserer Kommunikation zu oft voraus, dass sich alles miteinander vergleichen lässt. Dies führt zu erheblichen Problemen, wenn nicht gar zu endlosen und ennüdenden Polemiken. Der Meinungsaustausch bei internationalen Begegnungen kann nur dann das wechselseitige Verständnis fördern, wenn die Ebenen, auf denen man die Probleme behandelt, genau bestimmt werden und alle sich auf die gleichen Ebenen beziehen. So kann man zum Beispiel Informationen und moralische Argumente oder Infonnationen und kommerzielle Argumente nicht auf derselben Ebene diskutieren, sehr wohl aber die Diskussion über die relativen Prioritäten und die ihnen zugrunde liegenden Interessen und Stategien vorantreiben.

Anderes Beispiel: Sobald man die Ebenen von Personen, Gruppen und Nationalstaaten vermengt, kann man sich nicht mehr über die Frage der Freundschaft verständigen. Ebenso wenig lässt sich das Problem der Gewalt in ihren verschiedenen Aspekten behandeln, wenn man diese Ebenen nicht auseinander hält.

Außerdem müsste man sich zumindest ansatzweise bewusst machen – und dies ist nur durch Metakommunikation möglich -, dass unsere Kommunikation nicht gleichzeitig ganz präzise, ganz stringent und ganz breit sein kann, wie J. Attali bei seiner Unterscheidung der vier Ebenen der Kommunikation – kybemetisch, semantisch, symbolisch und relational betont hat (J. Attali, La parole et l’outil).

Spreche ich von einer ganzen Nation oder gar von Europa oder der Welt, ist es niemals möglich, zu Aussagen zu gelangen, die den gleichen Grad an Präzision aufweisen wie Aussagen zu begrenzteren Fragen, etwa zu einem Verhalten, das ich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einem bestimmten Seminarteilnehmer oder einem bestimmten Passanten tatsächlich beobachtet habe. Wir haben absichtlich zwei Extemfälle genannt, doch gibt es eine ganze Skala, die von den allerbegrenztesten Fragen (zu denen unsere Kommunikation präzise sein kann) bis zu den allerumfassendsten Fragen reicht, bei denen eine solche Präzision unmöglich ist. Genau deshalb ist bei allen von uns genannten Situationen der sogenannte « Dimensionenansatz » so wichtig, der die Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen als methodologische Regel formuliert. 

Auf dieser dritten Ebene ist die Metakommunikation also gezwungen, wie man sieht, nicht nur die besondere kulturelle Formation der Sprache, sondern nicht mehr und nicht weniger als die Gesamtheit aller kulturellen Formationen zu berücksichtigen: Denn tatsächlich drücken sich die Teilnehmer nicht nur sprachlich als Angehörige einer nationalen Gemeinschaft aus, sondern durch ihr gesamtes Verhalten bei der Begegnung. Die Metakommunikation muss versuchen, die Bedeutung des Verhaltens zu klären, da sonst das Alltagsverhalten von Teilnehmern unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen an allen möglichen Stellen nur zu Missverständnissenfiihren kann

Vierte Ebene: das Verständnis der Entstehung einer nationalen Kultur Die drei zuvor genannten Ebenen der Metakommunikation werden bereits bei allen Begegnungen einbezogen, die überhaupt die Voraussetzungen fir eine gewisse Exploration erfüllen. Bei den Ausbildungs- und Forschungszyklen nun können drei weitere Ebenen der Metakommunikation genutzt werden, um zu der notwendigen grundsätzlichen Klärung von Sinn und Ursprung der großen historischen Strukturen von nationalen Identitäten zu gelangen.

Dieser schwierige Punkt hat umso grundlegendere Bedeutung, als diese Sfrukturen nicht in jeder Nation für sich entstehen, sich verändern und sich weiterentwickeln, sondern nur im Gesamtkontext der internationalen und interkulturellen Interessen und Rivalitäten. Genau diese historischen Verdichtungen von intrakulturellen und interkulturellen Komplexen aber muss sich der Teilnehmer, der zugleich ein Forscher ist, bewusst machen.

Nur über die Problematisierung dieser historischen Kenntnisse nämlich lässt sich ein gemeinsamer Zugang zum wechselseitigen Kennenlernen und Verstehen eröffren. EinVerhalten, das von Freundschaft, gutem Willen und Toleranz geprägt ist, braucht als Basis gründliche Kenntnisse und ein gründliches Verständnis und kann jederzeit einbrechen, wenn es nicht selbst wiederum zu einer realen Erkenntnis dessen führt, was bestimmte Nationen und bestimmte Kulturen zu Gegnern gemacht hat und noch macht.

Die Problematisierung aber ist notwendig, weil der Verweis auf die Geschichte immer noch allzu oft ganz naiv in der üblichen, also von der dominanten nationalen Kultur und Identität bestimmten Weise erfolgt. Diese Arbeit ist langwierig und schwierig und wird wohl auch im Hinblick auf die jeweils neuesten strategischen Perspektiven der Partner immer wieder neu geleistet werden müssen.

Man sieht, die Metakommunikation muss geradezu die Frage nach den aktuellen Strukturierungen und Orientierungen des Verhaltens auf verschiedenen Tiefenebenen stellen und weiterentwickeln. Die Definitionen und Dezisionen aber, zu denen sie gelangt, sind durchaus nicht immer leicht gewonnen. Ständig stößt sie auf Dunkles und Unverstandenes und macht die Teilnehmer darauf aufinerksam, wie notwendig es ist, die Dynamik der Entwicklung von Nationen umfassender und gündlicher zu klären und die Erklärunge Metacommunication besser miteinander zu verknüpfen.

In diesem Sinne ist die das Bindeglied zwischen der Suche nach einer unmittelbaren Klärung, die für den Fortgang eines Austauschs notwendig ist, und einer Klärung, die noch verborgen ist und in einer Geschichte enthalten sein kann, die von den unerkannten Projektionen von heute ausgeblendet wird. Bei der Arbeit mit der Metakommunikation werden diese Schattenzonen aufgespürt und markiert. Die Metakommunikation verschiebt ihre Klärung notgedrungen auf später und betont eben dadurch die auf den Augenblick begrenzte Tragweite unserer Schlussfolgerungen. Damit setzt sie einen ganzen Prozess in Gang, denn die zunächst gebotene Vorsicht macht deutlich, dass die Klärung und damit auch eine Forschung, die über die unmittelbaren Bedürffisse hinausgeht, unbedingt fortgesetzt werden muss. Sie leitet bei den Teilnehmern und bei den Gruppen ein längerfristiges Sich-Einlassen auf interkulturelle Lernprozesse ein, bei denen die Teilnehmer durch die Begegnungen und andere, sie begleitende Formen des Austauschs miteinander und voneinander lernen.

Fünfte Ebene: einer Kommunikation, die vom Mittel zum „Zweck » erhoben wird. Handeln und Erkenntnis: Metaprogrammierung und Metakognition der einzelnen Disziplinen.

Die Problematisierung des Rückgiffs auf die Geschichte deutete bereits auf das spezifische Feld der fünften Ebene der Metakommunikation hin. Nicht nur bei dieser einen Disziplin nämlich muss die Metakommunikation als eine Funktion eingreifen, die nun nicht mehr wie zuvor nur die mehr oder weniger gute Anwendung der Kommunikationsmittel reguliert, sondern die Grundlagen selbst, auf denen unsere Kommunikation beruht. Diese Grundlagen nämlich gehen in die mentale Organisation unseres Handelns und Erkennens ein. 

Die Metakommunikation ist hier als die Funktion definiert, die den Anspruch einzelner Sektoren auf Vorrang oder sogar Ausschließlichkeit bei der Festlegung der mentalen Organisation des Handelns und Erkennens und damit auch der Kommunikation reguliert. 

Dies sind durchaus keine abstrakten Überlegungen. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart haben Religion, Wissenschaft, Kunst, Technologie, Politik, Ökonomie usw. Anspruch auf diese (angemaßte) Würde erhoben und erheben ihn weiter.

Die Metakommunikation trägt der Tatsache Rechnung, dass es schwierig ist, Fragen nach den Wurzeln von Kulturen mit Hilfe der Disziplinen der menschlichen Erkenntnis zu beantworten. 

Doch kommt man einer Klärung dieser schwierigen Fragen näher, wenn man sich die Rolle vergegenwärtigt, die diese Disziplinen im Einzelnen spielen. So ist die Prosa mit ihrem Streben nach Heterogenität und Stringenz besser für die Kommunikation als Mittel geeignet; daher die vielen Wörterbücher in den naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen. Nun bedeutet eine Verbesserung der Kommunikation zwar auch eine Verbesserung ihrer Mittel, zugleich aber auch eine Verbesserung der von den Menschen mit ihrer Hilfe verfolgten Zwecke. Die Kommunikation wird damit selber zu einer Art höchstem Zweck. Dies ist jedoch eine extreme Entwicklung, die niemals von den Realitäten getrennt werden darf, auf die sich die Kommunikation bezieht. Hiervon wird bei der sechsten Ebene noch die Rede sein. Umgekehrt darf man aber auch nicht so weit gehen, die Kommunikation ganz und gar von den besonderen Realitäten abhängig zu machen, innerhalb derer sie sich abspielt. So herrscht ein ständiges Hin und Her zwischen den Situationen und den Codes der Kommunikation einerseits, der Kommunikation als Mittel und der Kommunikation als Zweck andererseits.

Damit die Metakommunikation diese und alle zuvor definierten Rollen im Dienste internationaler und interkultureller Lemprozesse regelmäßig spielen kann, müssen die Ausbildungs- und Forschungszyklen langfristig angelegt sein. Sie müssen die kurz-, mittelund langfristigen Entwicklungen von Personen und Gruppen berücksichtigen und dafür sorgen, dass die Teilnehmerschaft einerseits stabil bleibt, dass andererseits aber auch neue Teilnehmer rekrutiert werden. 

Um effizient zu sein, muss die metakommunikative Praxis nämlich einen gewissen Grad an Intensität und Regelmäßigkeit erreichen. Dies setzt voraus, dass ein langfristiger Forschungszyklus aufgebaut wird, bei dem es zumindest eine Kerngruppe von Teilnehmern gibt, die sich eindeutig im interkulturellen Austausch- und Lemprozess engagieren.

Dank der Begleitforschung bei solchen Begegnungszyklen lässt sich inzwischen besser definieren, welche Bedingungen fir den Auf- und Ausbau von Kommunikationsnetzen zwischen Teilnehmern unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturen am günstigsten sind.

Solche Netze müssen eine kontrollierte und fruchtbare Anpassung im Spannungsbereich des Antagonismus von Distanz und Vertrautheit gewährleisten und Kompromissformen zwischen freundschaftlichen Beziehungen und anspruchsvollen Arbeitsbeziehungen schaffen. Die mit freundschaftlichen Beziehungen einhergehende Neigung zur Schonung des Partners darf nicht dazu führen, dass die Gruppe über höfliche Vermeidungen nicht mehr hinauskommt. Die größere Härte von anspruchsvollen Arbeitsbeziehungen darf nicht allzu oft mit Identitätskränkungen einhergehen.

Nur eine bewusste und von allen forschenden Teilnehmern und teilnehmenden Forschem gemeinsam vorgenommene Metaprogrammierung ist geeignet, jene Basis abzugeben, die man braucht, um die als solche erkannten Missverständnisse, von gegensätzlichen Interessen geleiteten Strategien und ständig drohenden narzisstischen Kränkungen gleichzeitig zu bearbeiten.

So unentbehrlich wie auf der interpersonellen Ebene des Ausbildungs- und Forschungsnetzes ist die Metakommunikation auch auf der institutionellen Ebene. Auf dieser Ebene spricht man ganz direkt von den « Programmen » der Begegnungen. Aber auch hier wieder kann nur die Metaprogrammierung gewährleisten, dass sich diese Programme nicht verselbständigen und nur noch mit ihrer eigenen Emeuerung und Entwicklung beschäftigen; dass die grundlegenden Ziele der internationalen und interkulturellen Lernprozesse nicht aus dem Auge verloren werden; dass diese im Sinne der notwendigen Anpassung an die aktuellen sozialen Entwicklungen ständig neu definiert werden.

« Daher ist es auch nicht Ziel des Metaprogramms, an die Stelle des Programms zu freten. Man darf es nicht so verstehen, als sei es die eigentliche Realität hinter der Fassade. Gäbe es keine Programme, die sich mit bestimmten internationalen und interkulturellen Realitäten des Austauschs befassen, könnte es auch kein Metaprogramm zur Regulierung des Programmablaufs geben, das heißt, zur Prüfung dessen, ob sich das Proyamm nicht allzu sehr mit sich selbst beschäftigt und abgrenzt oder im Gegenteil in alle möglichen, zusammenhanglosen Richtungen verzettelt. Das Metaprogramm bezieht sich also immer auf konkrete, reale Programme. Träte es selber als fertiger ideologischer Standpunkt auf, wäre es nur ein weiteres Programm und kein Metaprogramm. Träte es als Hyperkritik auf, würde es sich durch den Leerlauf einer Kritik, die nur noch den Repräsentationen von Begegnungen und nicht mehr den realen Begegnungen gälte, rasch selbst ad absurdum führen.” (J. Demorgon, L’exploration…, a.a.O., S. 144). Damit aber kommen wir direkt zur sechsten Ebene der Metakommunikation. 

Sechste Ebene: die Metakommunikation muss sich als Kritik

  • des Idealismus einer Kommunikation als Zweck; 
  • ihrer selbst als reiner Funktion konstituieren.

In dem Maße, wie wir kommunizieren müssen, um besser zu leben, müssen wir auch unsere als Mittel zu diesem Zweck dienende Kommunikation verbessern und also kritisieren. Wir haben gesehen, dass dies die oberste Aufgabe der Metakommunikation ist. Damit aber beginnen wir, die Kommunikation als einen Zweck an sich zu behandeln, denn nun ist unser oberstes Ziel ihre langfristige Verbesserung und nicht ihr unmittelbarer, nutzenorientierter Gebrauch. Könnte sich die menschliche Kommunikation nicht selber als Zweck setzen, stünde sie immer im Dienste aller möglichen biologischen oder sozialen Zwecke unseres individuellen und kollektiven Lebens. Hier ist ein ständiges Oszillieren zwischen dem Primat des Lebens und dem Primat der Kommunikation unvermeidlich. Man muss leben, um zu kommunizieren. Man muss aber auch kommunizieren, um zu leben. Niemals aber erschöpft sich die menschliche Kommunikation als Zweck in der Summe all unserer als Mittel genutzten Kommunikationen.

« Diese Perspektive der Verbesserung der Kommunikation aber kann pervertiert und zum ausschließlichen oder vorrangigen Zweck erhoben werden. Dann erhebt die Kommunikation den Anspruch wie einst die Religion oder die Wissenschaft, selber ein universals ‘Absolutes’ zu sein. So versucht die Kommunikation als absoluter Zweck, die Tatsache, dass es sie gar nicht geben kann, hinter einem Universalismus zu verbergen, der in Wirklichkeit keiner ist und nur der Verschleierung von Machtstrategien dient.

Eine Machtstrategie steckt aber auch hinter der entgegengesetzten Haltung, bei der sich die Kommunikation angeblich auf die bescheidene Rolle eines einfachen, wenn auch besonderen Mittels beschränkt. Bekanntlich geben sich nationale oder sonstige Besonderheiten nie mit ihrem Status als Besonderheit zufrieden, sondem versuchen meist sehr rasch, andere zu vereinnahmen.

Man darf also auf die Metakommunikation zur Verbesserung unserer Kommunikationen als Mittel nicht verzichten. Man muss nur außerdem eine Metakommunikation auch fiir diejenige Kommunikation entwickeln, die zum Zweck erhoben wird.

Damit ist einmal mehr gesagt, dass die Metakommunikation in einer ständig fortschreitenden Kritik besteht, der sich vorab keine Grenzen setzen lassen. So ist auch die Metakommunikation auf ihrer allerletzten Ebene gezwungen, so gut wie möglich die ständigen Beeinflussungen, Abweichungen, Perversionen zu regulieren, denen 1/ unsere Kommunikationsmittel und 2/ die zum Zweck erhobene Kommunikation unterliegen.” (J. Demorgon, L’exploration interculturelle, a.a.O., S. 156). Die Metakommunikation setzt global eine Fähigkeit zum Zweifeln voraus, die einesteils unmittelbare Antworten findet und andernteils über mittel- oder längerfristige Projekte aufrecht erhalten wird, in denen grundsätzlichere Antworten erarbeitet werden.


Aber um zugleich mit den auf allzu billige Weise gefundenen allgemeinen – theoretischen oder pragmatischen – Antworten und mit dem entgegengesetzten Extrem des Steckenbleibens in der Ernüchterung und Verzweiflung fortdauernden Unverständnisses aufzuräumen, muss die Metakommunikation auch noch ihre eigene Perversion vermeiden: zum Beispiel die Perversion, die in ihrer ununterbrochenen, systematischen Anwendung besteht. Die Metakommunikation darf sich nicht in eine ununterbrochene Anwendung hineinsteigem und sich an sich selbst berauschen. Sie muss sich immer auf ein problematisches Feld der Realität beziehen und auf dieses angewendet werden. Auf dieser letzten Ebene konstituiert sie sich selbst als « Kontrolle » ihrer Ausübung.

Der Rausch der Metakommunikation ist die Folge eines falschen Verständnisses des Grundantagonismus der Kommunikation, des Antagonismus zwischen der Kommunikation als Mittel und der Kommunikation als Zweck. Die Kommunikation lebt in eben diesem Spannungsfeld zwischen den Codes (Mitteln), derer sie sich bedient, und den Situationen (Zwecken), in denen sie benutzt wird.

Die Situationen sind problematisch im Hinblick auf Zwecke, die allen Menschen gemeinsam sein können. Die Kommunikationsmittel mit ihren Codes hingegen be&effen nur bestimmte Gruppen von Menschen.

Zum Rausch der Metakommunikation kommt es, wenn man sich von der Idee (dem Idealismus) verführen lässt, die Kommunikation als Zweck sei in der Lage, alle Probleme zu lösen, die im Zusammenhang mit der Kommunikation als Mittel auftreten, so als wäre die Kommunikation als Zweck unabhängig von der Kommunikation als Mittel und könnte sich in aller Transparenz a priori selbst definieren.

Wir werden weiter unten (Kapitel IV) ein umfassendes methodologisches Modell für das Studium der Kulturen und des Interkulturellen vorstellen, das mit sechs Ebenen der Realität und mit sechs Ansätzen arbeitet. Dieses Modell ergibt sich aus den Anforderungen, die die Metakommunikation stellt, und ist zugleich das beste Mittel, um sie an die Realität zu binden und vor dem Absturz in die Abgünde der Selbstberauschung zu bewahren. Mit dieser Methodologie nämlich werden die verschiedenen Bereiche der Realität, die unter dem Gesichtspunkt der Erkenntnis wie des Handelns zu berücksichtigen sind, eindeutig bestimmt.

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Jacques Demorgon : L’histoire intercultuelles des sociétés. 2e éd. revue et augmentée d’une postface : Une Information Monde

Chapitre II./ La médiation interculturelle et la fonction « méta »

I./ L’approche des phénomènes culturels : la métacognition nécessaire

II./ La métacommunication : racines biopsychologiques et définition

III./ Généralité de la fonction « méta ». L’exemple du méta-thème

Jacques Demorgon, L’exploration interculturelle. Pour une pédagogie internationale – 2e partie. Pour une pédagogie des apprentissages interculturels, Éd. A. Colin.

Chapitre V. Langues et communications. Les métacommunications

Tr. in english by Tom Storrie :  Communications and Metacommunications by Jacques Demorgon in Storrie T., The Evaluation of Intercultural Youth Exchange, Dynamics and problematics of intercultural exchange. III. Communications and Metacommunications National Youth Agency, Leicester, 2000, pp. 59-

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