Word World (par Jacques Demorgon)

Mediale Vermittlung des sozialen Zusammenhangs.

Régis Debray und die Mediologie

An den bisher besprochenen Aibeiten wurde deutlich, dass sich die Ansätze mehr als einmal gundsätzlich verändert haben:

1/ Wir haben die Geschichtsphilosophie hinter uns gelassen. Es geht nicht mehr darum, einen Sinn oder « Schlüssel » der Geschichte insgesamt zu finden. 

2/ Wir sind auch über jede linear-evolutionäre Perspektive hinaus. Es gibt nicht nur die « eine » Geschichte, die sich in bestimmten, einer religiösen (Bossuet), philosophischen (Hegel), politischen (Marx), psychologischen (Freud, Piaget) Logik verpflichteten Etappen vollzieht. Es gibt viele einander beeinflussende Geschichten.

3/ Alle Kulturen sind deshalb Teil einer Gesamtdynamik. In dieser ist jede Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft jederzeit real durch alle anderen bedingt, aber auch durch das Wechselspiel von (niemals wirklich erreichten) Realitäten und (stets unvollkommenen) Repräsentationen wie auch zwischen den Zwängen und Zufällen der jeweiligen Umwelt und denje nach den Sektoren und mnensionen ihrer Aktivitäten unterschiedlichen Freiheiten der menschlichen Subjekte. Niemals ist Kohärenz von vornherein garantiert. Ob als vergangene, gegenwärtige oder künftige, immer ist sie der Spielball dieser Gesamtdynamik.

4./ So ist Kultur die Vermittlerin zwischen den allgemeinen Problematiken, mit denen sich die Gattung Mensch im Rahmen ihrer ständigen Konfrontation mit ihrer Umwelt auseinandersetzen muss, und den unmittelbar gegenwärtigen Verhaltensweisen, mit denen der Mensch aufbestimmte punktuelle und lokale Veränderungen reagiert. 

5./ Die Die Kultur muss zwischen zwei Anforderungen vermitteln: einer Gesamtorientierung einerseits und einer spezifischen Adaption an die verschiedenen Sektoren der menschlichen Tätigkeit andererseits. All diese Sektoren, der religiöse, der politische, der ökonomische, der technische, der ästhetische, stehen nicht etwa im Gegensatz zu einem eigenen kulturellen Sektor. Jeder Sektor der menschlichen Aktivität ist Produkt und Produzent von Kultur zugleich. Doch ist darum längst nicht alles kulturell. Das unmittelbar gegenwärtige neue Verhalten ist noch nicht Kultur, und es kann Kultur werden oder auch nicht. Es ist potentiell entstehende Kultur. Ebenso können umgekehrt Teile einer bestehenden Kultur aufgegeben und zu vergangener Kultur werden.

6./ Die auf diese Weise neu formulierten Grundlagen und Perspektiven haben außerdem zur Folge, dass auch alle Forschungsfelder, —methoden und -objekte, ob nur einer Disziplin zugehörig oder interdisziplinär, neu bestimmt werden müssen, da auch sie sich bei der Untersuchung der Beziehungen zwischen Stukturen, Geschichten, Kulturen und menschlichen Freiheiten verändern.  Diese Perspektiven sollen nun anhand der Arbeiten eines Forschers vertieft werden, der sich ebenfalls mit den Beziehungen zwischen Gesellschaft, Technik und ihren sozialen und politischen Ausdrucksformen befasst. Régis Debrays entscheidender und neuartiger Beitrag besteht in der Begündung einer neuen Disziplin, der Mediologie. Er hat ihr vier Bücher gewidmet, von denen zwei (die Cours und die Manifestes) die allgemeinen Grundlagen behandeln und zwei sich anhand eines spezifischen Themas (des Staates bzw. des Bildes) mit den großen historischen Kulturfonnen befassen. In dem grundlegenden Werk, den Cours de médiologie, kommen diese großen Kulturfonnen und ihre zentralen Merkrnale jedoch nur in einer Tabelle von nur einer Seite vor, in der Jahrhunderte und sogar Jahrtausende ohne weiteren Kommentar zusammengefasst werden. Zum Glück dürfte uns dank der Kennmis der in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellten Arbeiten der Zugang zu diesen so elliptischen Werken von Debray jetzt leichter fallen. 



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