Sources : Vorwort. Ein großes Abenteuer unserer Zeit. Remi Hess, Professor an der Universität Paris VIII. In Jacques Demorgon : Interkulturelle Geschichte der Gesellschaften –
auf Deutsch – Traduction inédite (OFAJ-DFJW : Hella BEISTER )
de L’HISTOIRE INTERCULTURELLE DES SOCIÉTÉS Une information monde. 2e édition revue et augmentée, Economica, p. 29-38.
Ein großes Abenteuer unserer Zeit
Das Interkulturelle ist keine Lösung, ganz im Gegenteil: Erst einmal sind es lauter Situationen, in denen wir uns befinden, lauter Probleme, die uns über den Kopf wachsen. Das Interkulturelle ist die Form, in der sich die Gesellschaften entwickeln, zum Guten wie zum Schlechten, und in ganz unterschiedlichen Kontexten: Weltkriege,1 Völkermorde, Entkolonialisierung, Migrationen, europäische Einigung, Globalisierung. In all diesen Kontexten mischen sich Tragik und Komplexität, und in allen müssen wir erleben, wie die Instrumente unseres Denkens und Handelns versagen. Hier nun setzt Jacques Demorgon an. Hat sich das Interkulturelle verändert? Fast könnte man es meinen. Aber es stimmt nicht, oder doch nur, wenn man die verschiedenen Ebenen des Interkulturellen nicht unterscheidet, das Lokale nicht vom Globalen, das Persönliche nicht vom Institutionellen, das Psychologische nicht vom Soziologischen trennt. Dabei ist natürlich die interkulturelle Arbeit auf der mikrosozialen Ebene der Beziehung zu einem anderen, der Schwierigkeiten hat, ein entscheidender Ausgangspunkt für den Aufbau eines echten Interkulturellen, vorausgesetzt, man erklärt die interkulturelle Einstellung nicht zur Lösung aller Übel und macht damit einen neuen Idealismus aus ihr. Hier sind die Beiträge von J. Demorgon ein wirksames Gegenmittel.
Natürlich haben wir das Recht, nach einem neuen Menschenideal zu suchen, das auf diesen freiwilligen interkulturellern Beziehungen beruht; aber nur unter der Bedingung, dass diese interkulturelle Arbeit in beide Richtungen geht, nach Innen wie nach Außen, dass wir sie an uns selbst und an der menschlichen oder unmenschlichen Welt vornehmen, in der sich die Beteiligten jeweils befinden. Ein interkulturelles Ideal also? Warum nicht, sofern es der Tragik wie der Komplexität gerecht wird und vor den realen Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens nicht zurückschreckt. Dies also wären die moralischen Anforderungen, die zugleich intellektuelle Anforderungen sind.
Der Versuch, hier zu einer Antwort zu kommen, ist ein Abenteuer, das wohl eher kollektiv anzugehen wäre, und so ist es gewiss kein Zufall, dass sich das Interkulturelle über eben solche kollektiven Abenteuer seinen Weg sucht, Abenteuer in doppelter Hinsicht, denn für sie mussten immerhin die institutionelle und die europäische Forschung im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks zusarnmen gebracht werden. Aus dieser Verbindung sind viele wirklich kollektive — und inzwischen veröffentlichte – Arbeiten hervorgegangen. Eine der allerersten war L’exploration interculturelle. Darin hatte Jacques Demorgon auf Wunsch von Ewald Brass, dem damaligen Leiter der Forschungsabteilung des Deutsch-Französischen Jugendwerks, den Versuch unternommen, eine Synthese aus verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten zu erstellen. Damit waren bereits gut dreißig Personen an diesem Abenteuer beteiligt.
Seither hat die Zahl dieser Personen noch beträchtlich zugenommen. Sie bilden heute ein weitgespanntes Netzwerk, in dem sich Wissenschaftler und Praktiker unterschiedlicher Nationalitäten und Disziplinen austauschen, Man könnte durchaus von einem « unsichtbaren Kolleg » sprechen, was jedoch nicht heißen soll, dass es so etwas wie eine Schule gäbe, denn dies würde das Interkulturelle nur verfälschen. Im Gegenteil, gerade die Vielfalt der Perspektiven, Methoden und Fachgebiete macht ja den Wert eines Netzwerks aus und ermöglicht Ergebnisse, die zwar immer einen besonderen Gegenstand betreffen, dabei jedoch die Arbeiten der anderen zur Kenntnis nehmen, sich wechselseitig anregen und befruchten. So kommen zu den Orten, die wir schon etwas besser kennen, etwa im Zusammenhang mit der Immigration oder mit den von Jacques Demorgon vor kurzem untersuchten multinationalen Unternehmen, neue Orte hinzu, an denen das Interkulturelle zu finden und zu erfinden ist
Die nun vorliegende Arbeit jedoch ist vor allem wegen der von Demorgon entwickelten Methodologie und Epistemologie des Interkulturellen interessant. Dabei könnten dem Leser zunächst zwei Begriffe Kopfzerbrechen bereiten: Metakommunikation und Metakognition. Beim Austausch in internationalen Gruppen, die der vertiefenden, sich über längere Zeiträume erstreckenden Begegnung dienen, entsteht im Laufe der Zeit eine zusätzliche Chance: die Chance zur Selbstreflexion. Hier kann es durchaus sein, dass nicht mehr einfach ein Kommunikationsbeitrag auf den anderen folgt, sondern dass ein Moment der kollektiven Reflexion und Analyse entsteht. Von nun an wird über die Komnunikation kommuniziert, die gerade stattfindet, und über Kognitionen nachgedacht, die selbstverständlich schienen und dennoch problematisch waren. Diese sich zur Synergie verstärkende Dynamik von Metakognition und Metakommunikation ist das eigentlich Bemerkenswerte an der experimentellen, erfahrungsbasierten interkulturellen Arbeit. Spontan man eigene Kognitionen kaum in Frage stellen. Erst wenn bei der Kommunikation Schwierigkeiten auftreten, ist man gezwungen, zu Metakommunikation und Metakognition ûberzugehen. Der andere verlegt mir auf meinen – wie ich ihm auf seinen – ausgetretenen Pfaden den Weg. Damit entsteht ein neues Moment, das Demorgon die Interität nennt, eine Bezeichnung, die ihre Zwischenstellung zwischen Identität und Alterität (Andersheit) deutlich machen soll. Auch wenn dieses Moment nicht von Dauer ist, sich verflüchtigt, vergessen, geleugnet wird, hat es doch als solches existiert. Es ist das Moment, das uns mit dem anderen verbindet, das Moment, in dem auf einmal Veränderung und Kontinuität zusammenkommen. Manchmal wird ein Dritter zum Katalysator des Austauschs. Dann entsteht etwas, wovon jeder beim Nachhausegehen meint, es sei ganz sein.
Zugleich ist damit der Weg bezeichnet, den die interkulturelle Arbeit beschreiten muss. J. Demorgon stellt Wegweiser auf, und zwar auf sechs Ebenen. Diese Ebenen bilden eine Hierarchie nach der Breite und Tiefe, in die die Auslotung und Behandlung der Probleme gehen muss. Diesen Weg muss man zurückgelegt haben oder zurücklegen, um zu verstehen, dass der Autor weder ein psychologisches Interkulturelles für ein soziologisches Interkulturelles noch die Gegenwart für die Geschichte opfern will. Zwei Jahrzehnte Forschung über internationale Begegnungen und, im gleichen Zusammenhang, internationale Unternehmen, haben ihn zu der Einsicht gebracht, dass sich das Interkulturelle nur dann auf eine moralische und wissenschaftliche Grundlage stellen lässt, wenn alle seine Aspekte als ein geordnetes und in sich stimmiges Ganzes gesehen werden. Dies also ist das Ziel jener Ethik und Epistemologie des Interkulturellen, die wenigstens ansatzweise zu begründen Demorgon sich vorgenommen hat. Und da mir die Unschärfe, in der der Begriff des Interkulturellen nur allzu oft belassen wird, schon immer Sorge bereitet hat, kann ich ihm für seinen Versuch nur dankbar sein. Dem Leser allerdings wird ein besonders hoher Grad an Abstraktionsvermögen abverlangt. Soll er Nutzen aus Demorgons Versuch ziehen, müssen ihm interkulturelle Erfahrungen und interkulturelles Wissen bereits selber problematisch geworden sein.
Im interpersonellen Interkulturellen, stellt der Autor fest, ist unser kulturelles Verhalten entweder harmonisch, dann ist es der « Tanz des Lebens »? oder disharmonisch, dann kann es von Unverständnis über Blockierung bis zur Feindseligkeit reichen. Sicher gäbe es zwischen Partnem aus unterschiedlichen Kulturen viel mehr Harmonie, wenn wir in der Lage wären, zu verstehen, warum der andere anders handelt als wir selbst. Die Strategien des anderen aber unterscheiden sich von unseren Strategien aus Gründen, bei denen sich Neues die aktuelle Situation – mit Altem – unseren bestehenden Kulturen – verbindet.
Das Interkulturelle ist also nicht nur ein Resultat der Unterschiede zwischen den bestehenden Kulturen. Es tritt auch in den aktuellen Entstehungsprozessen einer neuen Kultur auf. Nur von der ersten Art zu reden, hieße, das Interkulturelle in seiner innersten
Notwendigkeit zur Illusion zu erklären. Dies wäre ein wissenschaftlicher, aber auch ein moralischer Irrtum. Meine Kultur und die Kultur des anderen waren und sind nun einmal das Produkt einer anderen Geschichte. Will man die Komplexität gegensätzlicher Verhaltensweisen verstehen, muss man nicht nur die vergangenen kulturellen Entwicklungen kennen und verstehen, sondern auch die Entwicklungen, die gerade ablaufen. Eine solche Betrachtungsweise mag uns und selbst Jacques Demorgon unerreichbar scheinen. Doch ist dies kein Grund, den Mut zu verlieren. Ganz ohne Werkzeuge, mit denen wir uns dem mit der Globalisierung entstehenden Interkulturellen nähern könnten, stehen wir denn doch nicht da. Seit einem halben Jahrhundert tragen Wissenschaftler dazu bei, uns solche Werkzeuge an die Hand zu geben. Wie nützlich sie sind, hat Jacques Demorgon im Laufe seiner wissenschaftlichen Beschäftigung Gruppenprozessen bei internationalen Begegnungen erlebt. Er bringt diese Werkzeuge zur Synthese und entwickelt eine neue Methode der Analyse. Diese hilft uns, die bestehenden Strukturen wie auch die gerade ablaufende Dynamik zu verstehen. Dies aber setzt eine andere Analyse sowohl der Geschichte als auch der Gegenwart voraus.
Oft versteht man das kulturelle Verhalten einzelner Personen besser, wenn man es auf die historische Entwicklung ihrer nationalen Kultur bezieht. Diese Entwicklung aber ist abhängig von den großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen, deren Entstehung und Auflösung sich jeweils im Rahmen der Entstehung und Auflösung von besonderen Gesellschaften vollzogen hat.
In Complexité des cultures et de l’interculturel. Contre les pensées uniques hat Demorgon anhand einer Reihe von Arbeiten anderer Forscher (Hall, Hofstede, Elias, Moore, Hermet, Todd) gezeigt, dass die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Frankreich unter anderem darauf zurückzuführen sind, dass Deutschland in seinen Grundstrukturen stärker von der Kultur der Gesellschaften mit Gemeinschaftscharakter geprägt ist, Frankreich hingegen stärker von der Kultur der König- und Kaiserreiche. Im damaligen Zusammenhang aber konnte er die Arbeiten, die ihn dazu bewogen hatten, bei seiner interkulturellen Analyse von den großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen auszugehen, nicht im Einzelnen darstellen.
Dies soll mit dem vorliegenden Buch, L’Histoire interculturelle des sociétés. Pour une information monde nachgeholt werden, vor allem auch mit seinem stärker historisch orientierten zweiten Teil. Demorgon befasst sich nun mit Arbeiten von Wissenschaftlern unterschiedlicher Nationalitäten und Disziplinen: Historikern, Soziologen, Ingenieuren, Philosophen, Wirtschaftswissenschaftlern, Anthropologen. Sie alle haben die großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen auf jeweils eigene Weise definiert, doch gibt es zwischen diesen Definitionen bemerkenswerte Übereinstimmungen, wie der Leser feststellen wird. Dieses Ergebnis ist umso überzeugender, als die Autoren von ganz unterschiedlichen Standpunkten ausgehen. Für die einen ist der ökologische Umbruch, die Kodierung der sozialen Kommunikation oder die Bannung der Gewalt entscheidend; für die anderen eher der technologische Umbruch oder der mediologisch bestimmte soziale Zusammenhang. Bei allen zeitlichen Abweichungen und unterschiedlichen Bezeichnungen aber, zu denen dies führen mag, lassen sich die vier großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen dennoch ohne weiteres mit den Epochen der Kulturen mit Gemeinschaftscharakter, der König- und Kaiserreiche, der großen Handelsnaüonen und der weltweiten Information identifizieren.
Drei Punkte sind allerdings zu beachten, soll die interkulturelle Analyse kein falsches Bild ergeben:
1)/Alle großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen entwickeln sich nicht für sich, sondern immer nur im Zuge der Entwicklung von entsprechenden besonderen Gesellschaften.
2)/ Die großen historischen Kultur- und Gesellschaftsformen lösen einander nicht einfach ab. Frühere werden schwächer, neue werden stärker. Heute sind diese vier Kultur- und Gesellschaftsformen ko-präsent, bilden jedoch eine Hierarchie, und zwar vermittelt über die unterschiedliche Art und Weise, wie sich die kulturellen Strömungen in den besonderen Gesellschaften und in den Verhaltensweisen der ihnen angehörenden Menschen manifestieren.
3)/ An jeder großen Kultur- und Gesellschaftsform waren oder sind die vier großen der menschlichen Tätigkeit beteiligt: Religion, Politik, Ökonomie, Information. Die Strategien der Akteure bestimmen sich vornehmlich durch ihre an diesen Sektoren. Und die unterschiedlichen Gleichgewichte zwischen diesen Sektoren bilden die Grundlage der großen Kultur- und Gesellschaftsformen.
Für Deutschland und Frankreich hat Demorgon dies bereits gezeigt. Nun folgt die Darstellung der besonderen interkulturellen Entwicklung Großbritanniens. Diese Entwicklung gibt Aufschluss über das Verhältnis zwischen den großen historischen Kulturund Gesellschaftsformen, den besonderen Gesellschaften und den Sektoren der menschlichen Tätigkeit. Dabei wird der entscheidende Wendepunkt klar erkennbar: Der ökonomische Sektor und der Informationssektor treten aus ihrer einst untergeordneten Position heraus und werden dominant. In Großbritannien vollzieht sich exemplarisch der historische Übergang von jenen Gesellschaften, in denen sich der Konflikt zwischen den Kulturen mit Gemeinschaftscharakter und den Kulturen der König- und Kaiserreiche auf unterschiedliche Weise fortsetzt (Deutschland und Frankreich zum Beispiel), zu den Gesellschaften, in denen die neue große Kultur- und Gesellschaftsform — die großen Handelsnationen – Gestalt annimmt. Von nun an werden, wenn auch mit gewissen Phasenverschiebungen, die Königund Kaiserreiche in Europa und in Amerika von den großen Handelsnationen verdrängt. Im Zuge dieser großen Umgestaltung, die von vielen aufgeklärten Franzosen von Voltaire bis Demolins7 aufmerksam verfolgt wurde, entstand die britische Kultur.
In anderen Ländern sah das Verhältnis zwischen den großen historischen Gesellschaftsformen und den Sektoren der menschlichen Tätigkeit anders aus, und von den Akteuren wurden andere Strategien angewendet. In Frankreich behielt die Kultur der Königund Kaiserreiche durch alle Restaurationen, Kaiserreiche und selbst Republiken hindurch ihre starke Präsenz, und daraus entstand die französische Kultur in ihrer Besonderheit.
Damit verfügen wir über wertvolle Beiträge zu einem besseren Verständnis Europas und seiner interkulturellen Gestaltungsmöglichkeiten.
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Diese Methode der interkulturellen Analyse und des interkulturellen Verständnisses aber können auch anwenden, um mit ihrer Hilfe positiv auf die aktuelle interkulturelle Entwicklung einzuwirken. So legt uns der dritte Teil des Buchs unter der Uberschrift Europa und die Kultur der weltweiten Information nahe, auch an unsere Gegenwart mit anderen Fragestellungen heranzugehen. Immer noch gibt es Gesellschaften, deren Strukturen von den Kulturen mit Gemeinschaftscharakter bzw. den Kulturen der König- und Kaiserreiche bestimmt werden. Währenddessen sind die großen Handelsnationen selber in die Krise geraten. Dies hängt damit zusammen, dass sie, gemessen an den mittlerweile üblichen Distanzen und Geschwindigkeiten bei der Übertragung von Informationen und beim Transport von Personen und Gütern, nicht groß genug sind. Sie versuchen, sich zu größeren Gebilden wie zum Beispiel Europa zusammenzuschließen, die sich ihren Platz in der künftigen neuen großen Kultur- und Gesellschaftsform der weltweiten Information noch suchen müssen. Auch der Aufbau dieser vierten großen Kultur- und Gesellschaftsform vollzieht sich im Zuge des Aufbaus neuer besonderer Gesellschaften. Die äußerst prägnante Verbindung von Ökonomie und Information bringt neue kulturelle Phänomene hervor. Manche von diesen, etwa die Entwicklung der Aktienmärkte und der Finanzspekulation, sind eher « elitär ». Sie haben außerdem höchst schädliche Folgen für die benachteiligten Gruppen. Daher entstehen gleichzeitig kompensatorische kulturelle Phänomene, um Verhältnisse zu schaffen, die zumindest symbolisch allen offen stehen, auch wenn sie real immer noch deutlich hierarchisch geprägt sind. Dies gilt etwa für die Globalisierung des Sports, in der wir dank Demorgon einen wichtigen Beitrag zur Herstellung eines neuen gesellschaftlichen Zusammenhangs erkennen können.
In der Vergangenheit kam es in den Gesellschaften der König- und Kaiserreiche zum Bündnis zwischen den dominanten Akteuren des religiösen und des politischen Sektors. Zugleich hatten diese aber auch gegensätzliche Interessen, was das Bündnis schwächte. Heute schließen sich in den Gesellschaften der großen Handelsnationen die dominanten Akteure des ökonomischen Sektors und des Informationssektors zusammen. Aber auch sie haben außerdem gegensätzliche Interessen.
Zur Zeit dürfte die Information noch auf ähnliche Weise unter der Kontrolle der Ökonomie stehen wie einst die Ökonomie unter der Kontrolle von Religion und Politik, nach Meinung mancher Autoren sogar in noch höherem Maße als während der Entstehung der Kultur der großen Handelsnationen. Dem hält Demorgon entgegen, dass diesesDominanzverhältnis zwar durchaus noch bestehen mag, aber längst nicht mehr unangetastet ist. Damit bahnt sich, wenn schon nicht ein Umsturz, so doch eine Konfliktphase an. Denn auch für die Akteure der drei anderen Sektoren wird es bei ihren Allianzen und Oppositionen immer auch um die Entwicklung der Information gehen. Dies wiederum trägt zur Entwicklung der interkulturellen Information bei. Hier setzt die Sammlung « Exploration culturelle et sciences sociales » ein zwar bescheidenes, aber dennoch unübersehbares Zeichen, in diesem Falle mit den Arbeiten von J. Demorgon, der mit jedem neuen Projekt und jedem neuen Buch die Instrumente der dennoch unübersehbares Zeichen, in diesem Falle mit den Arbeiten von J. Demorgon, der mit jedem neuen Projekt und jedem neuen Buch die Instrumente der retrospektiven und prospektiven interkulturellen Analyse erweitert und verfeinert.
Eine schöpferische Gestaltung des Interkultufrellen ist wünschenswert und möglich und muss zugleich in ihrer existentiellen und kognitiven Tiefe wie auch in ihrer die ganze Welt umfassenden Breite vorangetrieben werden.
Dies setzt ein weiterhin kontinuierliches Engagement von Forschem und Praktikern auf allen möglichen Gebieten voraus. Unter diesem Gesichtspunkt beschäftigt sich der Autor mit der Komplexität und den Schwankungen der politisch-ökonomischen Positionen und Entwicklungen von Deutschland und Frankreich im Rahmen der Globalisierung. Es gibt so gut wie keine wissenschaftlichen Arbeiten, die dem Bürger helfen könnten, unterschiedliche kulturelle und strategische Optionen als ein Ergebnis unterschiedlicher verstehen. Auch die Begleitforschung zum Austausch in internationalen Gruppen mhrt der Vielzahl der Ergebnisse, die sie schon erbracht hat, immer noch ein Schattendasein. Dennoch ist die dort weiterhin geleistete erfahrungsbasierte und experimentelle Arbeit von wesentlicher Bedeutung für die Entwicklung des europäischen Austauschs.
Engagement allein genügt jedoch nicht, auch das moralische Bewusstsein muss geweckt werden: daher die Notwendigkeit, auf die illusorischen Aspekte eines idealisierten Interkulturellen hinzuweisen.
Ebenso bewusst müssen Methodologie und Theoriebildung betrieben werden. Es ist dringend notwendig, Begriffe wie „Besonderheit », „Zugehörigkeit », „multikulturell », universell » bzw. „allgemein » zu klären und mit René Loureau nach unserer induktiven und deduktiven Logik und den sich ihr entziehenden – guten oder schlechten, in jedem Falle aber dauerhaften – Transduktionen zu fragen. Auf dieser Grundlage stellt sich die schöpferische Ausgestaltung des Interkulturellen weniger als ein Hirngespinst, denn als ein schwieriges, aber mögliches Unternehmen dar. Diese psycho-relationale Möglichkeit möchte Demorgon zum Abschluss seines Buchs auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Damit wird deutlich, dass er sich zwar mit der Geschichte und den Gesellschaften der Vergangenheit befasst, dies jedoch immer mit dem Ziel tut, die Handlungsmöglichkeiten der Akteure von heute zu verbessem, und zwar für ein Handeln, wie er es für notwendig hält, das heißt, für ein interkulturelles Handeln.
Daher sei einem Missverständnis vorgebeugt, zu dem die vom Autor vorgeschlagene Analysemethode Anlass geben könnte. Mancher Leser, der nur einen flüchtigen Blick in Complexité des cultures et de l’interculturel. Contre les pensées uniques und L’histoire interculturelle des sociétés. geworfen hat, wird rasch mit dem Vorwurf bei der Hand sein, hier sei nichts weiter zu finden als wieder einmal ein allumfassendes Erklärungssystem oder ein neuer historischer Determinismus. Diesem
Leser wäre entgangen, worauf wir gleich zu Anfang hingewiesen haben, nämlich der von Demorgon stets vorausgesetzte, unauflösbare Zusammenhang zwischen dem individuellen Subjekt und der Hierarchie der kollektiven Abenteuer der Menschheit. Demorgon vereinfacht die Realität nicht nur nicht, sondern macht sie im Gegenteil komplexer, um unsere Afmerksamkeit zu schärfen. Er will zeigen, dass wir über zusätzliche neue und bisher noch kaum bekannte oder kaum verstandene emotionale und kognitive Werkzeuge verfügen. Wir bedürfen ihrer dringend, wenn wir nicht wollen, dass die Institution Demokratie weiter an Boden verliert. Wenn wir diese Instrumente zu erkennen undaanzuwenden verstehen, gewinnen wir zusätzliche Freiheiten und können unseren Platz in diesem Abenteuer der Menschheit besser finden – dem großen Abenteuer, das heute emotional und kognitiv die Gestalt des Interkulturellen angenommen hat.
Notes bibliographiques
- Um ein lange unter Verschluß gehaltenes, schließlich aber doch veröffentlichtes Beispiel zu nennen: Paul Hess, La vie de Reimspendant la guerre de 1914-1918 – Notes et impressions d’un bombardé, Paris, Anthropos, 1998.
- Demorgon J. 2016. , Omul Antagonist. Traducere din limba franceză de Victor Untilă. Bucuresti: Ed. F. Romania de Mâine, 2017.
- Demorgon Jacques, 2015. L’homme antagoniste. Paris, Economica
- Demorgon J., Complexité des cultures et de l’interculturel. Contre les pensées uniques, 5e édition revue et augmentée, 2015.
- Demorgon J. 1998. Nations et Entreprises, in Cultures d’entreprises et management interculturel, n° 16, OFJA-DFJW, Textes de travail Bad Honnef.
- Demorgon J. 1997 [1989] L’exploration interculturelle. Pour une pédagogie internationale. A. Colin.
- AUF DEUTSCH : Peter Boback, Übersetzer: Interkulturelle Erkundungen: Möglichkeiten und Grenzen einer internationalen Pädagogik. Campus, 1999.
- – L’interculturel de la mondialisation in L. Colin und B. Müller, Pédagogie des rencontres internationales, Anthropos, 1996.
- E. Demolins, A quoi tient la supériorité des Anglo-saxons ? (1897) Neuaufl. Anthropos, 1998.
- Ein Begriff, der auf den französischen Logiker Couturat zurückgeht und von F. Guibal aufgegriffen wurde; F. Guibal in S. Breton und F. Guibal, Altérités, J. Derrida und J.P. Labarrière, Paris Osiris, 1986.
- E. T. Hall, La danse de la vie, Seuil, 1984, und nicht auf meine Arbeiten zum Walzer oder zum Tango.
- R. Hess, in R. Lourau, Implication, transduction, Préface, Anthropos, 1998.